Der Regendrache vom Fudschijama

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Der Fuji ist ein uralter japanischer Berg, voller Magie und Überraschungen. Was - das glaubt ihr nicht? Dann hört euch an, was Wu und Ling erlebt haben. Ich habe ihre Geschichte von meiner Ururgroßmutter gehört, und deshalb ist sie wahr, bis auf den allerletzten Tropfen Tinte!

Ganz besonders liebte meine Urahne die Legende vom Regendrachen. Er wohnte auf dem höchsten Berggipfel. Zur Aussaat sandte er genug Wasser, damit der Reis kräftig wuchs, und die Spätsommer waren so sonnig, dass die Bauern in Ruhe ernten konnten.

An einem Sommermorgen entdeckten die Reisbauern Wu und Ling am Feldrand einen herrenlosen Rucksack. In ihm befand sich nichts weiter als eine seltsame Geige. Sie hatte so viele Saiten, wie das Jahr Monate hat. Wu nahm das ungewöhnliche Instrument für seine Familie mit. Ling winkte dankend ab – bei ihm lebte das weiße Äffchen Fui, das sorgte jeden Tag für genug Abwechslung.

In der kommenden Nacht verschlechterte sich das Wetter. Es goss wie aus Kübeln, und so blieb es eine Woche lang. Außerdem drangen täglich Geigenklänge, Jubel und Gelächter aus Wus Haus.

Ling wunderte sich sehr darüber. Noch nie hatte es kurz vor der Ernte so schlimm geregnet! Und wieso feierte Wu so viele Feste? In der 7. Nacht schlich er zusammen mit dem Äffchen Fui zu Wu. Durch das weit geöffnete Fenster konnten die zwei Spione gut in die Stube sehen.

Da war die ganze Familie versammelt, vom Großvater bis zum Enkel. Alle jubelten und klatschten in die Hände, denn auf dem Tisch tanzte ein blauer Drache zum magischen Klang von Wus Geige. Er wirkte müde, seine Schuppen waren ohne Glanz. Aus seinen Augen flossen unendlich viele Tränen, die sich im Handumdrehen in strömenden Regen verwandelten.

Ling erschrak und wusste nicht, was er tun sollte. Aber Fui handelte! Als Wu seine Geige weglegte, weil er Reiswein trinken wollte, huschte Fui in die Stube, packte das Instrument und flitzte mit ihm zur Tür hinaus.

Der Drache brüllte erfreut auf.

Wu kreischte vor Wut.

Ling rannte dem Äffchen hinterher. Er war überzeugt, dass Wus gesamte Familie ihm folgen würde, um ihn zu verprügeln.

Doch dazu kam es nicht. Der Drache des Fudschijamas, der nun nicht mehr unter dem Bann der unheimlichen Geige stand, spuckte eine einzige Feuerflamme aus, bevor er sich erlöst auf einen fernen Berggipfel zurückzog. Wus Haus brannte bis auf die Grundmauer nieder, zur Strafe dafür, dass er den Drachen bis zur Erschöpfung tanzen ließ.

Und die magische Geige? Die ist nie wieder aufgetaucht und Fui hat glücklicherweise niemandem verraten, wo er sie damals versteckt hat!

Marianne Thiele

Last Updated (Sunday, 17 September 2023 09:00)