Verschnupfte Herbsthexe

(2011: Verschnupfte Herbsthexe. In: Leipziger Volkszeitung, Nr. ? vom 24. 09. 2011, Hallo Kinder)

Kater Karlchen streifte durch das Weizenfeld und lauerte auf die Mäuse, die den Krach des Mähdreschers nicht mehr aushielten. Wenn so ein Graupelzchen in Karlchens Nähe kam, dann langte er mit der Pfote zu, und zack, gehörte es ihm. Zur Mittgaszeit verließ der Bauer seinen Mähdrescher, um essen zu gehen.

Der Kater beschloss, die günstige Gelegenheit zu einem Nickerchen zu nutzen.

Leider hielt die himmlische Ruhe nicht lange an.

„Haaatschi!“, machte jemand, dann fiel ein struppiger Besen vom Himmel und schlug unsanft auf dem Ackerboden auf, um Haaresbreite vom erschrockenen Karlchen entfernt. Eine Staubwolke wallte auf. Auf dem Besenstiel hockte ein kreuzunglückliches Hexlein, das sich verzweifelt mit einem riesigen karierten Taschentuch die krumme Nase putzte. Freilich half ihm das wenig, denn es nieste unaufhörlich weiter: „Haap-haaat-schiii!“

„Verschwinde, du Störenfried“, murrte Karlchen. „Du vertreibst mir ja die Mäuse mit deinen schrecklichen Hatschies!“

„Verzeihung, Katerchen“, schniefte das Hexlein. „Hatschi! - Ich weiß nicht mehr ein noch aus. Seit ich aus dem Sommerschlaf erwacht bin – also seit vorgestern – muss ich unaufhörlich niesen. Das hier ist mein letztes Taschentuch!“

„Hast du dich vielleicht erkältet?“, erkundigte sich Karlchen.

„Das – hatschi – ist eigentlich unmöglich. Ich bin schließlich die Herbsthexe und komme mit Nebel, Regen und Kälte bestens zurecht.“

„Dann ist es vielleicht ein Schnupfenvirus?“

„Ein - hatschie – bitte, was für ein Bus?“, fragte das Herbsthexlein verwundert.

„Kein Bus! Ein Virus! So ein winziges Ding, was in Nasen krabbelt und sie kitzelt, bis sie schnupfen müssen!“

Aber das konnte sich das Hexlein nicht vorstellen. Und wie sollte so ein gemeiner Virus auch in ein Sommer-Schlaf-Hexenhaus gekommen sein?

Die beiden dachten angestrengt über das Problem nach.

„Wir müssen zu deinem Haus“, beschloss Karlchen. „Ich bin mir sicher, die Lösung liegt dort versteckt!“

Also flogen sie, hui, zum Hexenhaus.

Als sie dort ankamen, krabbelte es in Karlchens Nase. Und als sie das Häuschen betraten, musste er niesen. Aus allen Ecken wallte sofort Staub auf.

„Siehst du! Hatschi! So geht es mir, seit ich aus dem Sommerschlaf aufgewacht bin!“, rief das Hexlein.

„Kein Wunder“, schniefte Karlchen. „Ich weiß, warum!“

Da musste das Hexlein seinen Besen nehmen und ausfegen, denn das hatte es nach seinem Sommerschlaf völlig vergessen. Alle Spinnenweben entfernte es und die Spinnen mussten in den Garten umziehen. Karlchen half beim Fußbodenwischen und Fensterputzen mit, so gut ein Kater das eben kann. Und als alle Taschentücher, Gardinen und Decken frisch gewaschen auf der Leine hingen, da fiel es den beiden auf, dass das Herbsthexlein seit drei Stunden nicht mehr geniest hatte.

„Weil es nicht mehr staubig ist“, sagte der Kater. „Und nur deshalb!“

„Ja, es war bloß ein dummer Staubschnupfen“, sagte das Herbsthexlein glücklich. „Danke, Karlchen! Wie wäre es jetzt mit einer Tasse Tee?“

„Gerne“, schnurrte der Kater. „Mit etwas Sahne, bitte!“

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